Life is Strange


Ihr kennt das... Da kommt man in ein bezauberndes Küstendorf um auf eine High School mit dem Schwerpunkt für Fotografie bzw. Kunst zu gehen und alles läuft irgendwie schief. Bullies, Intrigen, Zeitreisen, der übliche Teenage-Krempel eben. Was macht man also? Genau! Man macht einen auf Gerechtigkeit und sorgt für ne Menge Ärger. Und so geht es auch Max Caulfield. Sie kommt mach 5 Jahren Seattle zurück in ihren Heimatort, um unter anderem bei einem berühmten Lehrer für Fotografie zu studieren. Dieser nimmt Max freudig auf, doch einigen anderen Schülerinnen und Schülern scheint das nicht so ganz zu passen. Zumal sie auch noch ein Faible für analoge Fotografie besitzt und sich ausgerechnet auf Selfies spezialisiert hat, obwohl sie doch eher ein introvertiertes Nerdmädchen ist, welches ihre Pflanze entweder ertränkt oder vertrocknen lässt. Sehr sympathisch eigentlich, doch an einer Schule für reiche und extrovertierte Kids wahrscheinlich nicht gerade ein Heilsbringer. In diesem Kontext muss sich Max wohl die nächsten paar Jahre durchkämpfen, um ihren Abschluss zu machen, oder?





Doch das Spiel, Life is Strange heißt es, schert sich weniger um die High School-Leistungen, sondern geht gleich von Beginn an in die Vollen und startet mit einer heftigen, markerschütternden Vision. Ein riesiger Tornado rast auf das Örtchen Arcadia Bay zu, ein Unheilsbringer, der wie eine Urgewalt wütet und all dem Treiben an der Schule und dem Dorf ein Ende zu bereiten scheint. Max quält sich zu dem Leuchtturm, der auf einem Felsen thront und das Vorgehen unbeteiligt beobachtet, dort wird ihr das Ausmaß schlagartig bewusst und... wacht schweißgebadet im Unterricht auf. Wow, was für ein pompöser Start! Aber es wird noch besser. Als sie ins Bad huscht, um sich frisch zu machen, wird sie in den Bann eines wunderschönen blauen Schmetterlings gezogen. Der Moment dehnt sich zu einer kleinen Unendlichkeit aus, als sich die Badtür öffnet und sich ein Streit zwischen zwei Jugendlichen entfaltet, welcher tödlich endet. Schockiert von der Situation passiert etwas, das man sonst nicht alle Tage erlebt: sie beginnt, die Zeit zurückzuspulen, um in den Konflikt einzugreifen. Mit aller Kraft dreht sie den Zeiger soweit zurück, dass sie es schafft, den tödlichen Schuss der Waffe, welche einer der Studenten mitgebracht hat, zu verhindern.

Von diesem Moment an entfaltet sich episodenhaft eine grandios erzählte Geschichte um Freundschaft, Zukunft und Vergangenheit und der Frage nach dem "Was wäre wenn...". Dabei werden schwerwiegende Themen wie Mobbing, psychische Krankheiten, Selbstmord, sexuelle Gewalt und Drogen, Umweltschutz und Kapitalismus diskutiert, aber auch die amerikanische Schulkultur und Vorurteile messerscharf unter der Lupe seziert. Dontnod schaffen es dabei, eine kitschfreie wie sensible Story zu entfalten, die weder moralinverseucht noch prätentiös daher kommt und die vor fantastischen Momenten die zum Innehalten einladen nur so sprüht. Untermalt durch Musik von Amanda Palmer, Mogwai, Angus & Julia Stone usw. wird hier eine Teenager-Geschichte erzählt, die sich leichtfüßig zwischen grandiosen Film- und Serienperlen wie Brick, Veronica Mars, Buffy oder sogar, ja, ich sage es, True Detective (Staffel Eins!) bewegt! Man bewegt sich an den Abgründen der Seele entlang, erkundet intime Momente, dekonstruiert Vorurteile und verliert sich in den einzigartigen Dialogen voller liebenswerter wie abstoßender Charaktere. Unzählige Anspielungen auf Twighlight Zone, Twin Peaks und Zeitreisefilmen wie Looper, Primer usw. lassen das Spiel zu einem Nerdfest werden, die man aber nicht kennen muss, um hier auf seine Kosten zu kommen. Es spielt sich dabei wie ein wilder Cocktail aus dem grandiosen Gone Home, The Walking Dead und Heavy Rain. Ja, das gab es alles schon einmal, aber die Dichte der Atmosphäre, das gemütliche Erkunden und Abwägeln der oft sehr schwerwiegenden Entscheidungen sowie die Präsentation sprechen für sich und zeichnen ein homogenes, eigenständiges Spiel, das seit langem seinesgleichen sucht. Hier bekommt man für kleines Geld eine Geschichte, die einen noch für lange Zeit begleiten wird!

Ich kann nur jedem, der für Adventures, Krimigeschichten oder Videospiele allgemein etwas übrig hat, empfehlen, sich diese Perle näher anzuschauen. Eine Episode (Nummer 5) steht noch aus, dabei hat sich die Serie mit jedem Episodenende noch weiter gesteigert. Ich bekomme noch jetzt Gänsehaut, wenn ich an das Ende von Episode 3 und 4 denke! 


Kommentare

  1. Wunderbarer Text über eines der bewegendsten Spiele, die ich gespielt habe.

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