Road Trip (Pt. 2)



Hanmer Springs

Nach dem kurzen Frühstück und einer dicken Verabschiedung ging es nun also weiter. Der Weg war großartig. Durch hügelige Landschaften, die an die weitflächigen Szenen aus Herr der Ringe erinnern, brausen wir eine Straße entlang, auf der kaum ein Mensch zu sehen ist. Dafür ein Hund, der auf dem Mittelstreifen sitzt und neugierig schaut, wer so vorbei fährt.
Vorsichtig fahren wir drumherum und genießen die herrliche Umgebung. Hanmer Springs zeichnet sich durch seine Abgelegenheit, ein paar Mountain-Bike-Strecken und vor allem seinen heißen Quellen aus, in denen man gemütlich baden kann. Wir beschlossen, diese am Abend zu betrachten, wenn die Sonne untergeht und die Sterne herauskommen. Was gibt es schöneres als in einem bergumgebenen Fleck Erde in einem warmen Bad zu sitzen und in den Sternenhimmel zu starren? Zuvor haben wir aber noch eine alte Anlage besichtigt. Nicht irgend ein Häuserkomplex. Es handelte sich um ein altes Krankenhaus, welches einst für kriegsgeschädigte Soldaten, die sich erholen und mentale Ruhe finden wollten, eine geistige Oase darstellen sollte. Einige Jahre später wurde es zu einem Erholungsort für geisteskranke Frauen. Doch auch diese Anlage existiert heute nicht mehr, es sind nur noch alte verlassene, irgendwie unheimlich wirkende Häuser, deren großen Fenster eine bedrohliche Stimmung erzeugen. Man erspäht in ihnen winzige Zimmer, alte Betten mit einem klitzekleinen Schrank, sowie einer kleinen Spüle und einer Tür, die zum Flur führt. Dort befindet sich ein altes, offenes Piano, ein bedrückendes Überbleibsel eines Ortes der geistigen Aufgewühltheit, der niederschlagenden Stimmungsschwankungen und dem Zufluchtsort von gepeinigten Menschen, die ihren Stimmen im Kopf zum Schweigen bringen möchten. Still wandern wir um die Häuser und sinnieren über die schwierigen Zeiten, die Soldaten und auch viele Frauen aufgrund von unangemessenen Diagnosen der Hysterie etc. einst durchmachen mussten. Ich hätte nie gedacht, einmal eines dieser Häuser kennenzulernen, von denen man behaupten könnte, dass es dort spuken könnte. Man kennt es aus Filmen, Büchern oder Serien, aber man glaubt nicht, dass es auch in Wirklichkeit solche Häuser geben könnten, die diesen Dunst von umherwandernden Geister versprühen. Dieses Krankenhaus hat uns eines besseren belehrt.
Wäre da das Bad nicht nebenan, wären wir wahrscheinlich vor Gruseligkeit weggerannt, aber so haben wir uns lieber dazu entschlossen, gleich ins Bad zu hüpfen. Dort gibt es neben Spa's auch Rutschen, Schwimmbecken und Whirlpools, die wir alle (bis auf die leider bereits geschlossene Rutsche!) ausprobiert haben. Nach und nach lichtete sich die Badeanstalt und wir genossen es, die Pools für uns zu haben und erzählten über dieses und jenes, während nach und nach die Sonne unterging und wir dem Farbwechsel des Himmels zuschauten. Unter dem Sternenzelt wanderten wir dann mit nassen Haaren zurück zum Hostel und waren erschöpft. Als wir uns schlafen legten, sollte es aber nicht lange dauern, bis wir aus unserem holden Schlaf gerissen werden sollten. Denn die ansässige Katze meinte, uns in unserem Zimmer gleich zwei mal besuchen zu müssen und dabei die sorgfältig aufgebahrten Holzstücke vor dem Fenster umzukippen. Mit lautem Miau-Protest schmiss ich sie aus dem Fenster, nur um gleich wiederzukommen. Zugegeben, die Katze war unglaublich knuffig, aber als sie versuchte, in meine Schuhe zu kriechen, war dies doch etwas zu viel.

Auf dem Weg nach Hanmer Springs

Mitten im Busch
Das gespenstische Krankenhaus


Christchurch

Am nächsten Morgen sollten wir Karl und Jesper beweisen, dass das kleine Vehikel, welches sie sich gemietet hatten, durchaus für fünf Leute mit vollem Reisegepäck ausgelegt ist. Nach mehrmaligem Gefitzel stopften wir uns ins Auto und brausten wieder los, dachten dabei aber noch an die fantastische CD, die uns unser Frühstück tanzend versüßen sollte. Zu den "rarest funk tracks of the 40s" hüpften und tanzten wir, bis der Toaster unser Essen ausspucken sollte.
Als wir in Christchurch ankamen, beschlossen wir, gemeinsam durch die Stadt zu laufen, gespannt darauf, wie sie wohl heute aussieht. Jeder weiß von dem großen Erdbeben, welches am 22. Februar 2011 zugeschlagen hat, aber niemand konnte sich vorstellen, wie so eine Stadt nach dieser Verwüstung aussieht. Gespannt hielten wir nach kaputten Straßen und Häusern Ausschau, ohne groß etwas zu bemerken. Bis wir das Stadtzentrum erreichten, in der sich die sogenannte "red zone" befand. Dort gibt es klaffende Lücken in den Häuserreihen, zusammengestürzte Kathedralen, unzählige Baustellen, kaputte Straßen und verlassene Gebäude. Bauzäune durchziehen die Stadt, an jeder Ecke hört man Bauarbeiten, Risse ziehen sich durch Hochhäuser und in manchen Straßen herrscht gespenstische Leere. Es klingt wie ein bedrückendes Szenario, doch schaut man genauer hin, merkt man, wie lebendig diese Stadt ist. Die Leute sind fröhlich gestimmt, Bauarbeiter pfeifen unbekümmert Lieder und holen mit ihren Skateboards Kaffee, Menschen helfen einem sofort, wenn man einmal nicht weiter weiß und das Stadtzentrum hat sich in Containern neu organisiert. Als wir an der Ampel darauf warten, dass es grün wird, kommt ein im Batmankostüm verkleideter Mensch auf dem Fahrrad vorbei, mit einem großen Korb auf dem Lenker, wo eine Menge Süßigkeiten drin sind. Er sagt "help yourself" und wir greifen hinein, etwas misstrauisch aber auch dankbar. Wir freuen uns und mampfen ein paar Gummibärchen und fühlen uns inspiriert, etwas Gutes zu tun, als wir auf dem Fußweg einen Reisepass finden. Pina hebt ihn auf und stellt fest, dass er von einem Deutschen zu sein scheint, als ich mich umschaue und zwei vollbepackte Backpacker vor uns erspähe. Wir rennen hinterher und fragen ihn, ob er ihnen gehört. Freudig nimmt er diesen auf und packt ihn zurück in seinen weit geöffneten Rucksack. Wir beschließen, den Beiden ihr Gepäck bis zur nächsten Kreuzung zu tragen und sie danken uns überschwänglich. Solche positiven Episoden passieren an jeder Ecke in Christchurch, man muss nur genau hinschauen und sollte sich vom ersten Eindruck nicht unterkriegen lassen!
Nach der Verabschiedung von Karl und Jesper heißt es, noch einen Tag zu warten, bis die Freunde von Lenja und Pina Neuseeland erreichen sollten. Wir erkunden noch ein bisschen die Gegend, die Parks und die Straßen und am Tag darauf geht's zur Begrüßung auf den Flughafen.
Auf Flughäfen auf Leute warten ist etwas wirklich einzigartiges. Es gibt kaum einen anderen Platz der so voller Emotionen ist, voller Leidenschaft, Hingabe, Zerwürfnissen und Glück. Ständig verabschieden sich Menschen unter Tränen, Personen warten aufgeregt auf die lang herbeigesehnte Wiederkehr des Geliebten und überschütten ihn dann mit Küssen, die Enkel springen die Großeltern an oder alte, lang vergessene Freunde treffen sich seit Jahren wieder und schlingen ihre Arme lange umeinander. Als eine Frau zum Geburtstag für ihre alte Mutter Happy Birthday to you singt, stimmt der gesamte Flughafen mit ein und trällert der Dame ein Lied. Gerührt sitzen wir breit grinsend da und er innern uns an unsere geliebten Menschen, die uns zum Flughafen gebracht haben und orakelten darüber, wer uns wohl abholt. Jeder Umarmung, der man am Flughafen beigewohnt hat, sehnte man nach und wollte sich am liebsten daneben stellen und mitknuddeln. Als Celia und Jaska dann endlich nach gut anderthalb Stunden durch die große Tür kamen, war die Freude riesig und Lenja und Pina fielen den beiden um den Hals. Ich freute mich für die vier wiedervereinten Freunde und begrüßte sie mit einem zurückhaltenden Hallo. Als Außenseiter einer vertrauten Gruppe ist es nicht immer unbedingt leicht, akzeptiert zu werden und ich war gespannt, wie es wohl die nächsten zwei Wochen, die wir gemeinsam Reisen wollten, verlaufen sollten. Ich kann soviel schon einmal verraten, dass es sich definitiv um die angenehmste Reisegruppe in Neuseeland gehandelt hat, auch wenn wir für zehn Tage in einem vollgepackten Auto umherreisen und auf engstem Raum unglaublich weit fahren sollten.
Nachdem wir endlich komplett waren und den beiden Neuankömmlingen einen Ruhetag ermöglichten, besorgten wir uns für wenig Geld ein wirklich sehr gutes Auto von einem lieben Autovermietungsunternehmen. Wie ich hier lernen sollte, ist es für viele Menschen schwer nachvollziehbar, wenn ein Mann gleich mit vier attraktiven jungen Damen umherreist, ich hätte schon hier merken sollen, dass ich mir ein paar gute Oneliner hätte zurechtpacken sollen wie: "Wie, ist es in ihrem Land nicht üblich, vier Frauen zu haben?" oder "Wie, vier Mädels. Es sind Ihnen wohl zu wenig?" Leider ist Schlagfertigkeit nicht immer meine Stärke, aber ich sollte viel Zeit bekommen, dies noch zu üben.

Ein komplett verlassener Park mitten in der Großstadt

Zitat Anne Frank.


Arthur's Pass

Von Christchurch aus ging es gleich ins volle Programm für Celia und Jaska. Vom rein landschaftlich her tristen Christchurch ging es in den Arthurs Pass, einer laaaaangen Autostraße durch eine Gebirgskette, die in die Westküste münden sollte. Hier fährt auch eine der schönsten Bahnstrecken der Welt entlang, und wir mit unserem Auto nebenher. Mit bestem Wetter erstreckte sich vor uns die langgezogene gerade Straße, die Berge umgaben uns wie riesige Giganten, die neugierig auf uns starren, während wir unseren Weg in ihrem Antlitz schlängelten. Vorbei an ausgetrockneten Flüssen, schneebedeckten Bergen und langen Ebenen fuhren wir zu unserer ersten Schlafgelegenheit, einem der vielen freien Zeltplätze in Neuseeland. Warum er frei war, kann ich euch auch erklären: Sandflies. Während die Sandflykonzernbosse ihre Konferenzen an herrlichen Stränden abhalten und ihren Urlaub an den Nelson Lakes abhängen, klegt das Sandflyproletariat im Arthurs Pass hart, damit die Bonzen ihr Auto fahren und Touristen beissen können. Etwas geplagt bauten wir unser Zelt aber dennoch wagemutig auf, ohne zu realisieren, dass im angrenzenden Wald ein weiteres Grauen lauern sollte, das uns noch das Rennen lehren sollte. Zuerst stand jedoch ein Wasserfall auf dem Plan, der nicht weit vom Zeltplatz war. Wir wanderten gut eine Stunde und saßen an einem anmutig wirkenden, riesigen Wasserfall und aßen ein wenig Obst. Schöne Wasserfälle sind in Neuseeland dann doch etwas selten und wir freuten uns, Jaska und Celia so eine Naturgewalt zeigen zu dürfen.
Zum krönenden Abschluss des ersten Reisetages gingen wir anschließend zu der riesigen Wiese, die sich in dem Tal, in welchem wir uns niederließen, befand und die uns einen tollen Sonnenuntergang bescherte. Wir aßen gemeinsam unsere Nudeln mit Gemüse von meinem getreuen Campingkocher und verkrochen uns im Zelt, als es passieren sollte. Ein seltsames Geräusch, etwa wie wenn man eine zerkaute Schuhsohle zerreisst oder zusammendrückt, sollte ertönen. Was soll das? Wer macht so einen Krach? Ist da wer? Der Yeti? Eskimos? Außerirdische? Ich öffnete das Zelt und da sah ich es. Ich hatte meine Schuhe draußen vergessen! Hatten sie etwa ein Eigenleben? Ich sah, dass sich ihnen ein dunkler Schatten bemächtigte und schlich langsam auf sie zu. Was war das? Schuhmonster? Fiese Frettchen? Ich rannte los und schrie, um ihnen mehr Schreck einzujagen als sie mir, nur um festzustellen, dass es sich dabei um Vögel handeln sollte. KEA'S! Diese Mistfinken! Ich realisierte, dass sie meine lieben Schuhe auseinandernahmen, die sowieso schon etwas lädiert waren. Nun war ihnen ein Loch eingeschrieben und man konnte nichts mehr machen. Verdammt. Ich nahm meine Schuhe und ging wieder ins Bett, in der Hoffnung, den Kea's Einhalt geboten zu haben, als ich ca 30 Minuten später wieder wach wurde. Wieder hörte ich ein Geräusch. *Dong* *Dongdong* ich dachte mir, "Was ist das? Haben die Mädels noch Hunger? Wer kocht denn jetzt noooo aaahhhh" *dongdongdongdong* als ich realisierte, das ich meinen tollen Kochtopf draußen liegeblassen hatte. *dong* Ich springe also wieder aus meinem Schlafsack, *dong*, öffne die Zeltinnentür, *dong* die Zeltaussentür *dong* und springe zum Kochtopf, der von drei gierigen Kea's umgeben war, welche voller Leidenschaft am Gummigriff meines Topfes nagten. Einen erwischte ich beinahe mit einem Fußtritt… Lachend flogen sie davon… Dies sollte sich noch wiederholen, als die Keas begannen, am Zelt der Mädels rumzupicken. Zufrieden legte ich mich wieder hin und dachte mir: "Wenigstens ist es nicht mein Zelt.".
Etwas müde wache ich Tags darauf auf um festzustellen, dass die Sonne bald aufgehen sollte und unser bezauberndes Tal durchzogen ist von Nebelbänken. Ich quäle mich aus dem Schlafsack und mache einige Fotos, wecke die Mädels und wir genießen den gemeinsamen Anblick dieses erhabenen Momentes.
Um noch ein bisschen von dieser Magie fortzutragen, beschließen wir, früh zu packen und später zu frühstücken, um im Licht der Morgensonne weiter durch den Pass zu fahren. Nach gut einer halben Stunde finden wir einen Pfeil zu einem Ausschaupunkt. Als wir voller Vorfreude anhalten und uns gerade abschnallen, vernehme ich auf einmal vier herannahende fliegende Schatten. "KEAS" rufe ich, als die erste Tür gerade aufging. Ich schmeiße den Rückwärtsgang rein und drücke das Gaspedal, die Tiere sind bereits im Landeanflug aufs Auto, die Anderen schnallen sich wieder an und schließen gerade die Tür, als wir mit quietschenden Reifen in einer dramatischen Verfolgungsjagd nur haarscharf davon kommen.
Wir beschließen, das Kea-Land hinter uns zu lassen und zum nächstbesten Ort zu fahren, einem wunderschönen See, in dem Baumstämme aus dem Wasser ragen und eine längst vergessen Geschichte erzählen. Wir genießen unsere Äpfel und labbrigen Peanut-Butter-Toastbrote und lachen uns über die Keaangriffe schlapp.



Der lange Weg zum Arthur's Pass













Kommentare

Beliebte Posts